Ja wirklich, ganz ohne Zeitmaschine und so. Oder war es vielleicht doch eine Zeitmaschine?
Anfühlen tut es sich zumindest sehr danach, wenn man nach ca. 11 Stunden Flug über die Sibirische Pampa am Flughafen Tokio in eine neue Welt entlassen wird.
Bei dem Gedanken an Tokio kommt fast jedem die Assoziation mit Hochhausschluchten in Neonlicht, Abermillionen von, für uns immer gleich aussehenden, Menschenmassen, die sich durch die engen Gassen und Schluchten quetschen, immer rennend auf dem Weg zur Arbeit, egal zu welcher Zeit des hier wirklich 24 Stunden umfassenden Tages und natürlich mit Sushi!
Stimmt auch alles. ABER, Tokio ist so viel mehr als Manga, Billboard und roher Fisch!
Man hat wirklich das Gefühl, hier ist die Zukunft der globalisierten Zivilisation bereits Gegenwart.
Wo wir hier im so genannten Westen noch rätseln, wie unsere zukünftige Lebensform mit all den technischen Innovationen, Krisen gebeutelten Finanzmärkten und zurückgehenden Geburtenraten wohl aussehen wird, sind all diese Dinge in Tokio seit Jahrzehnten schon Alltag.
Bezahlen einfach durch das Heben des Armes in Richtung des Kassierers, Taxifahrers, Kellners etc., bei uns innovative Zukunftsvorstellung, in Tokio seit Jahren gelebte Realität!
Unbezahlbarer Wohnraum in Innenstadtlagen? Wohnen auf kleinstem Raum? Wenig bis gar keine Privatsphäre? 120-Stunden Arbeitswochen? Billigst-Lohn-Jobs? Demographischer Wandel? Unsichere Renten? Alles Ängste, die Europa momentan bewegen und alles längst eingetroffenes Szenarium in der japanischen Hauptstadt!
Ja, ich muss gestehen, es klingt nicht allzu rosig! Und das ist es auch nicht immer, aber es ist vor allem die japanische Mentalität, das wahrscheinlich zukunftsträchtigste Exportgut, was man entdecken kann. Denn, dass die Welt sich stets und ständig ändert und weiter entwickelt, ist sicher unumstritten und vor allem unaufhaltbar. Wie man mit diesen Veränderungen umgeht, das macht den Unterschied, und da ist uns der Japaner um Längen voraus!
Wenn ca. 35 Millionen Menschen auf einer Fläche von 1.200 km2 leben und arbeiten und dabei nicht in ein absolutes urbanes Chaos verfallen, in dem sich kein Fremder jemals zurecht finden kann, dann bedarf das ungemeiner Organisation und dem Hang zum Perfektionismus durch jeden einzelnen. Und genau das ist es, was uns die Japaner voraus haben und was eine Stadt wie Tokio von Shanghai, Mumbai oder Sao Paulo so deutlich unterscheidet.
Alles, aber auch wirklich alles, ist perfekt durchdacht, organisiert und mit schier unendlicher Disziplin umgesetzt.
Wenn auf dem Fahrplan 12:05 Uhr steht, dann ist die Bahn auch um 12:05 Uhr da! Nein, nicht um 12:04 und auch nicht um 12:06!
Auch auf klitzekleinstem Raum wahrt man die Privatsphäre des Anderen, indem man sich z. B. nie in die Augen schaut. Ganz generell ist im Unterbewusstsein jedes Japaners tief der Wunsch verankert, den Anderen so wenig wie irgend möglich zu stören. Man nimmt Rücksicht. Und das müssen wir uns alle auf der Welt noch ganz dringend abschauen, denn es macht das Leben um so vieles einfacher. Rücksicht nehmen! Klingt logisch, habe ich aber noch nie und nirgends so umgesetzt erlebt wie hier!
Respekt, Rücksicht, Umsicht und ein waches Auge für jedes Detail.
Dinge werden hier einfach besser gemacht. Man steht keine Minute suchend vor irgendeinem Schild, schon rauscht ein lächelnder Mensch herbei, der helfen möchte. Gepäckbänder am Flughafen sind auf Bodenhöhe angebracht, damit man die schweren Koffer nicht anheben muss, Getränke sind auf Speisekarten zuerst aufgeführt, da man diese ja auch zuerst bestellt, Kaufhäuser und sogar Einkaufstraßen sind nach Genres getrennt, damit Mann sich nicht durch Damenwäsche und Frau sich nicht durch Krawattenberge kämpfen muss, Züge fahren im 10 Minuten-Takt ab, Toilettenspülungen werden durch Wasser aus dem Handwaschbecken gefüllt, Fußgängerüberwege gehen auch quer über Kreuzungen hinüber, Visitenkarten werden immer mit beiden Händen in Empfang genommen und mit der gebotenen Aufmerksamkeit und Ruhe betrachtet bzw. bewundert, geben sie doch Kreativität und Persönlichkeit des Inhabers preis, selbst Toilettenzeichen sind in sympathischer Farbgebung (rosa und hellblau) gestaltet usw…usw..!
Alle Menschen begegnen sich mit Ehrerbietung und wenn uns das ständige und fast devot wirkende Verbeugen auch manchmal komisch und übertrieben vorkommt, es bewirkt doch den respektvollen Umgang dieser Menschenmassen mit- und untereinander. Es ist das, was ich mit Zukunft meine! Eine bessere Zukunft bzw. meiner Meinung nach, die einzige, die funktionieren kann. Denn wenn wir alle auf immer engerem Raum, mit immer weniger Platz für das Individuum und mit immer weniger Zeit zusammen friedlich koexistieren sollen, dann geht das nur mit Disziplin, Respekt und Rücksicht nach japanischem Vorbild.
Arbeiten in Japan
Und was das Arbeitsleben angeht, so kann man in Japan wirklich sagen, dass alle hier dankbar sind für Ihren Job. Dankbar und stolz auf das, was sie machen egal ob Börsenmakler oder Fensterputzer. Jeder trägt zur Funktionsfähigkeit des Systems bei und wird dafür gewürdigt und geschätzt, woraus wiederum der Respekt vor sich selbst erwächst und haaach…. schöne Neue Welt ;).
Negatives? Ja! Gibt’s auch! Wer hat gesagt, die Zukunft wird nur rosarot? Dazu bald mehr.